Freitag, 12. Februar 2016

Welcome to Dubai!

Wer behauptet, Dubai sei nichts für Menschen, die gern und viel laufen, dem sei hiermit widersprochen. In Dubai kann man ganz hervorragend laufen. Kilometerweit und ohne irgendwas zu erreichen. Eine warme Brise im Gesicht, tippelt man im Schneckentempo über Sand und Asphalt, während auf der vier- bis sechsspurigen Straße Jeeps, SUVs und Schulbusse vorbei zischen. In dieser Stadt findet das Leben auf der Straße statt - auf der Schnellstraße. Mindestens vier-, maximal achtspurig. Das Verkehrsnetz umspannt wahlweise Hotel, Hospital, Shopping-/ Businesscenter oder Wohnblock. Alles sieht aus wie sandgestrahlt oder täglich mit dem Fensterleder poliert. Eine sehr ordentliche Lego-Stadt.



 Mein erster Gedanke, als wir mit dem Taxi, das hier recht günstig ist, hineinfahren: Welches Verhältnis haben die Menschen hier wohl zur Natur? Wäre ein Ausflug in den Thüringer Wald bereits als Extremurlaub einzustufen, wenn das einzige Grün im Leben der Golfplatz und die Zierpalmen vor dem Hoteleingang sind?
Natur 1: Zwei Katzen. Die gehören unserem Airbnb-Gastgeber in Al Nahda, kämpfen gern nachts und spazieren dazwischen ungerührt über uns und unser Gepäck.



 Wären wir bessere Touristen (= besser vorbereitet), würden wir sie wahrscheinlich kaum zu Gesicht bekommen, am Strand lümmeln, zum Gold- und Gewürzesouk oder in die Wüste exkursionieren. Wir sind aber nicht gut vorbereitet, haben weder einen Stadtplan noch Lust, ein Taxi zu nehmen, und versuchen es mit der bewährten Methode “Go with the flow”. Die funktioniert in Dubai nur nicht ganz, denn wir stehen a) spät auf und haben b) nicht viel Zeit. Und c) sollte man hier besser wissen, wo man hin will, denn gemütliches Schlendern und Entdecken ist nicht ganz einfach, wenn das nächste Autobahnkreuz nur einen Steinwurf entfernt liegt. Wir beschleunigen ein wenig, indem wir die Metro nehmen. p0ßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßßß
Hier lief die Katze über die Tastatur…
Metrofahren ist günstig, man bekommt für umgerechnet etwa sieben Euro eine Tageskarte für alle Zonen, kann entspannt zwischen Hochäusern hin und her fahren und sich an Haltestellen namens “Internet City”, “Business Bay” oder “World Trade Centre” ausspucken lassen. 



Als nicht gut vorbereitete Touristen bleiben wir jedoch sitzen und fahren einfach weiter. Wenn wir doch mal an einer Station aussteigen, beschleicht mich beim Anblick der blitzenden Fliesen und Glaswände das Gefühl, das nächste Mal, wenn ich wieder am Charlottenplatz stehe, besser ein zweites Mal zur Flasche Handdesinfektion zu greifen. Ähnlich hygienisch beeindruckt haben mich nur die kleinen, flexibel beschlauchten Duschköpfe, die standardmäßig neben jeder Toilette angebracht sind.
In der Metro lässt sich die eine oder andere gesellschaftliche Besonderheit lernen. So gibt es in jeder Bahn ein Abteil speziell für Frauen und Kinder. Jedem Mann, der sich dort aufhält, droht eine Strafe von 100 AED, also ca. 30 Euro.




Exakt an der pinkfarbenen Trennlinie entlang, ein bisschen wie hinter einem unsichtbaren Zaun, stehen nun also die Männer im Pulk und starren herüber, während die Frauen locker über ihren Waggon verteilt sind, ihre Facebookprofile prüfen oder Filme auf dem Handy schauen. Vergleichsweise große Aufmerksamkeit bringt uns eigentlich nur das Stehen in trauter Zweisamkeit an einer Straße, als ein Bus voller Männer heranrollt, unter denen sich offenbar schnell herumspricht, dass da zwei Damen am Wegesrand zu sehen sind. Obwohl wir auf öffentliche Zuneigungsbekundungen verzichten, scheint ausreichend Unterhaltungsfaktor gegeben. Man lacht, man dreht sich um, man deutet. Abgesehen davon reicht das Verhaltensspektrum der Männer in unserer Gegenwart von schlichtweg ignorant über zuvorkommend-höflich bis hin zu einem breiten Grinsen und einem mehr als freundlichen Gruß, als wir es doch mal mit dem Händchenhalten versuchen.
Zurück in die Metro. Anscheinend weltweit universell und geschlechterunabhängig ist das Schieben in die Bahn hinein und aus der Bahn heraus. Da können noch so viele Verhaltensratgeber/Nudges in unterschiedlichen Farben auf den Boden geklebt sein: Unterschätze niemals die Körperkraft von Frauen in weißen Lederjacken, auch wenn sie einen Kopf kleiner sind. Mitten in der Rushhour habe ich meinen persönlichen Lost-in-Translation-Moment. Zum ersten Mal in meinem Leben sind alle Menschen um mich herum kleiner als ich. Abgesehen von Iris und einer zweiten großen Blondine.
So, jetzt aber aussteigen. No more Metro.
Natur 2 offenbart sich uns später am Tag in Form eines riesengroßen Aquariums inmitten der Dubai Mall. Hier kann man einfach davorstehen und zwischen zwei tiefgekühlten Luxusläden kurz die Kreditkarte abrauchen lassen, oder aber angeblich auch tauchen, wenn man genug von Gianfranco Ferré, Armani und Tiffany hat. Wir lassen nicht nur das Eine, sondern auch das Andere. Außerdem verzichten wir auf die exklusive und hochpreisige Gelegenheit, uns in den 144. Stock des Burj Khalifa fahrstuhlen zu lassen, und entern lieber den riesigen Buchladen mit der gewaltigsten Auswahl Graphic Novels/Comics, die ich je gesehen habe, soweit ich mich recht entsinne.
Ein weiteres Bedürfnis nach dem Büchergucken: Essen. Wir haben jedoch kein ganz glückliches Händchen bei der Wahl unserer Nahrungsaufnahmedesinationen. Selbstverständlich sind wir - obwohl mitten in einem riesigen Einkaufszentrum stehend - zu stolz, um in einer der zahlreichen Burgerbraterien einzukehren. Nahöstlich scheint uns angemessener.



 Schließlich wollen wir dann doch irgendwie gute Touristen sein. Leider haben wir den Kniff der Einheimischen nicht raus, was das Bestellen angeht. Die Konsequenz: Hühnchen ohne Sauce für Iris (an beiden Tagen!), für mich Falafel an Tag 1 und eine Lektion an Tag 2. Tabouleh ist hier nicht die erfrischend gewürzte Getreidekomposition, als die ich sie kenne. Stattdessen bekomme ich einen Plastikbehälter voller Petersilie. Für umgerechnet fünf Euro. Darin finden sich vereinzelte kleine Tomatenstücke und einsame Couscouskrumen, aber die Masse? Glatte Petersilie. Immerhin ist Grünzeug in sämtlichen Foodblogs und Ernährungsratgebern voll angesagt. Ich bin also ganz vorn dabei. Runtergespült wird das Grün dann mit dem einzig Möglichen: Chocolate Peanut Butter Toffee Icecream. Sehr unnahöstlich. Sehr schweinigelig. Sehr lecker. Es tröstet außerdem darüber hinweg, dass unser einziger Versuch noch gute Touristen zu werden von der Tatsache vereitelt wurde, dass man in Dubai doch nicht alles mit Kreditkarte zahlen kann. Für die Monorail hinaus zur berühmten Natur 3-Erfahrung, der Palme aus Sand, sollte man Cash dabei haben, sonst hat der hilfsbereite Verkaufsautomatenassistent leider auch nicht mehr als ein “Sorry, Ma’am” für einen übrig.
Dann doch zurück in die Metro. Noch ein bisschen fahren lassen, anschließend wieder über Sand und Asphalt laufen, die Radfahrer bewundern, die an einer vierspurigen Straße gegen den Verkehrsstrom fahren, zu spät nach Hause kommen, um den wunderbar pinkelwarmen Pool auf der Dachterrasse noch nutzen zu können, dafür Pilates mit einer Katze auf dem Bauch und danach frisch machen, ordentlich unsere Plastikflaschen am Lulu-Supermarkt recyceln und ab zum Flughafen. Sorry, Dubai, nächstes Mal machen wir es besser!

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