Sonntag, 17. Januar 2016

Reisevorbereitungen III: Zweimal Russlandvisum, Пожалуйста!

Vor Gartenscham Transport. Zum Glück gibt’s G***le Translate. Es hilft dabei, das Kyrillische auf der Reisewebsite in gut verständliches Deutsch zu übertragen. Wir müssen uns also nicht sorgen. Sollte Gartenscham je ein Problem werden, wird Transport unmittelbar erfolgen.

Russland. Größer als jedes Land, das wir je bereist haben. Vermutlich größer als alle Länder zusammen, die wir je bereist haben.
Ein Mysterium, in vielerlei Hinsicht.

Da ist als erstes die Schriftbarriere auf den vielen Reisewebsites. Mein vor Jahrzehnten auto-antrainiertes Wissen aus „Russisch in 20 Lektionen“ wird wohl aufpoliert werden müssen.
Das Kyrillische neigt dazu, den ignoranten Mitteleuropäer mannigfaltig zu vereimern. Während das, was im Deutschen später mal ein i sein wird, im Russischen aussieht wie der ungelenke N-Schreibversuch eines Erstklässlers (и, sic!), kommt das R zum P amputiert um die Ecke. Wir reisen also nach Pussland. Aus schwedischer Perspektive erörtert fahren wir im Sommer ins Land der Küsschen. Das ist nicht allzu weit hergeholt. Zu DDR-Zeiten gab es bei Besuchen hochrangiger Politiker bisweilen endloses Geknutsche auf allen Seiten. Ich bin gespannt auf unsere Grenzerfahrung. Oder Grenzüberschreitung? Naja. Was soll einem gleichgeschlechtlichen Paar beim Streifzug durch endlose Birkenwälder schon groß passieren? Maximal ein bisschen Identitätsverlust. Im Ernst: Ignoriere ich die politische Lage und den Umgang mit Andersdenkenden in diesem Land? Keineswegs. Denke ich darüber nach, wie wir uns wohl fühlen werden in einem Land, in dem Offenheit und Akzeptanz nicht gerade weit oben auf der Agenda rangieren? Absolut. Glaube ich dennoch daran, dass ein Land mehr ist als die Entscheidungen seiner Politiker? Ich denke, so kann man es formulieren.  


Und trotzdem kann ich sie nicht ablegen, die Faszination an diesem Stück Erde. In meinem Kopf wartet nach einem langen Wandertag Baba Dunja auf der Schwelle des kleinen Holzhäuschens auf mich. Sie hat den Chai schon aufgebrüht und versorgt meine langsam anschwellenden Mückenstiche liebevoll mit einer hausgemachten Tinktur. Abends noch schnell in die Sauna und danach einen herzhaften Sprung in den Baikalsee. Jawoll, der Kitsch hat mich voll im Griff. (Immer mit allen Abers aus dem vorhergehenden Absatz im Hinterkopf.)

Der nächste Stolperstein: Das Visum. Do-dom. Man hat schon viel darüber gehört. Gesehen habe ich bisher noch keines.
Alles, was ich weiß: Ich brauche eine Einladung aus dem Land, eine Bestätigung, dass ich pünktlich zwischen Ein- und Ausreise krankenversichert bin, eine Rückkehrwilligkeitsdokumentation in Form meines Lohnzettels, einen funktionstüchtigen Reisepass (mit zwei freien Seiten nebeneinander!) und ein Passfoto in biometrischer Qualität.
Anstatt auf eine Einladung aus dem Kreml zu warten (Seit 36 Jahren bekomme ich von denen schon keine Post.), lade ich uns eigenständig mithilfe eines Reisebüros ein, das freundliche Unterstützung gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr anbietet. Hier prüft man außerdem unsere Anträge mit gekonntem Blick. Und: Eigentlich ist ein Visum für Russland nur 6 Monate gültig. Wir wollen aber am 4. August erst einreisen und gern jetzt schon das nervöse Flattern in meinen Eingeweiden mit dem passenden Stempel beruhigen. Was macht also der nette Herr im Reisebüro? Er telefoniert zehn Minuten und eröffnet mir dann: „August können wir auch jetzt schon machen.“ Sag nochmal einer, Bürokratie und Flexibilität schließen einander aus. Ich sage: „спасибо“ und verabschiede mich. 

Jetzt fehlen also nur noch die Tickets für die Transsib. (So nennen sie ernsthaft einen Zug, wenn sie mit queeren Lebensentwürfen nichts am Hut haben? Ich bitte euch.)

Kann sein, dass in sieben Monaten alles ganz anders kommt. Kann sein. Bis dahin packe ich meinen Dostojewski („Der Idiot“) gegen alle Traveller-Ratschläge als Non-E-Book in den Rucksack und trinke, weil wir keinen Wodka im Haus haben, einen Martini d'oro auf die Leute in der Visumsbearbeitungsstelle in Leipzig, und noch einen auf Baba Dunja.

До свидания, eure Anja

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