Samstag, 4. Juni 2016

Jetzt mal ganz perthönlich

Nach einer Woche der idyllischen Abgeschiedenheit auf dem Land wartet die Großstadt auf uns, bevor wir unseren Roadtrip die Westküste entlang bis nach Broome starten. Eine Fährüberfahrt von South Perth zum Elizabeth Quay bei strahlendem Sonnenschein ist schon mal ein würdiger Einstieg. 



Die airbnb-Unterkunft, die wir gebucht haben, liegt außerdem mitten in der Innenstadt, sodass wir vom Fähranleger aus – trotz der Backpacks – gut zu Fuß hinkommen.

Eine nette französische Studentin zeigt uns unser gemütliches Zimmer, das wir in den folgenden Tagen aber fast nur zum Schlafen nutzen werden, denn Perth hat einiges für uns auf Lager. Den Anfang macht ein unglaublich leckerer indischer Lunch bei Analaxmy, einem Tipp, den wir von unserer vorherigen Gastgeberin Sarah bekommen haben. Bei dieser Einrichtung der Hare Krishna zahlt man für das Essen nur soviel, wie es einem wert ist. Oben drauf bekommt man den fantastischen Blick über den Elizabeth Quay (ein Millionenprojekt, über das sich die Gemüter zu Recht scheiden, aber am Wasser sitzen mit tollem Blick ist per se mal gut).
Nach einiger Zeit gesellt sich ein älteres australisches Ehepaar zu uns an den Tisch und spricht uns schließlich auch an. Ob wir aus Deutschland seien? Die Vorfahren des freundlichen Herrn kämen ebenfalls von da. Es entspinnt sich ein sehr nettes Gespräch und als wir mit essen fertig sind, laden uns die beiden spontan auf eine kleine Stadtrundfahrt ein. Sie hätten noch eine Stunde Zeit, bis sie mit ihren Enkeln ins Kino gingen. Etwas überrascht sagen wir zu. Die große Offenheit und Spontaneität der Australier ist auch nach anderthalb Monaten noch immer etwas ungewohnt für unsere zurückhaltenden deutschen Seelen. Scherze über das Mitfahren im Auto von Fremden werden anfangs – leicht nervös – auch noch ausgetauscht. Hatten uns davor unsere Eltern nicht immer gewarnt?

Um die Spannung nicht ins Unerträgliche zu steigern: Es geht alles gut aus. Mike und Diane zeigen uns in der Kürze der Zeit „nur“ den Botanischen Garten, Kings Park, wo wir – nach einem herzlichen Abschied von den beiden, mit zugehörigem Selfie  – schließlich den ganzen Tag verbringen werden. Der Park ist größer als der Central Park in New York und wunderschön angelegt, mit Treetop Walks und heimischer Flora, wie z.B. dem berühmten Gija Jumulu (Boab Tree), der – in ausgewachsenem Zustand! – 3200 km weit transportiert wurde, von West Kimberly bis Perth, gestiftet von den Gija People.





Ein traumhafter Sonnenuntergang, den wir vom DNA-Tower aus betrachten, sowie Running Sushi in der Nachbarschaft unserer Unterkunft beschließen den ersten Tag in Perth und ich stelle mir mal wieder wie so oft die Frage, wo ich lieber leben will: auf dem Land oder in der Stadt? Beides hat jeweils so viel zu bieten und ich kann mich nie entscheiden...




Der zweite und eigentlich auch letzte Tag, da wir für Freitag unseren Mietwagen gebucht haben, startet nicht ganz so gut. Zum Frühstück landen wir in einem zwar nett aussehenden, aber sehr versnobten, teuren Hipstercafé, wo wir uns ziemlich fehl am Platz fühlen. Außerdem ist der Flat White nicht so gut wie in Melbourne. Meh.
Der anschließende Besuch im Touri-Büro ist ebenfalls ernüchternd: Alle Tagesausflüge, die wir uns überlegt hatten, scheinen bereits seit 9 Uhr früh gestartet zu sein und laut einer eher schnippischen Touri-Beauftragten bleibt uns angeblich nichts mehr für den heutigen Tag. Die Stimmung ist daraufhin etwas im Keller. Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl habe, nicht gut vorbereitet zu sein. Nehme es gern auf meine Kappe, wenn wir was „verpassen“, irgendwo nicht rechtzeitig sind, etc... Aber nach einem guten Gespräch auf einer Bank in der Sonne finden wir zur alten Form zurück. Wer sagt denn, dass wir mit einer (teuren) Bootsfahrt nach Freemantle raus müssen, wenn auch eine (günstige) S-Bahn dort hinfährt? Diese Tatsache erst mal realisiert, kommt der Rest von ganz allein: Zuerst steigen wir in einen der kostenlosen CAT-Busse (damit kommt man gratis in der ganzen Innenstadt herum, in diesem Fall mit der Green Cat) und fahren nach Leederville, einem der – laut deutschen Reise-Vloggern – angesagteren Stadtteile, wo wir gemütlich in einem Buchladen stöbern, die Hauptstraße entlang schlendern und schließlich bei Greens einen unfassbar süßen Kuchen verdrücken. 




Zuckerschock überwunden, bringt uns die Green Cat außerdem direkt zu unserem Autovermieter, wie wir mit Blick auf den Plan festgestellt haben. Und siehe da: Die Miete unseres Autos lässt sich problemlos um einen Tag nach hinten schieben, sodass wir den heute verpassten Ausflug nach Rottnest Island doch machen können. Und auch unsere Vermieterin lässt uns noch eine Nacht länger bei sich schlafen. Yay for us! :)

Zurück in der Innenstadt steigen wir in besagte S-Bahn Richtung Freemantle, der Hafenstadt, die neben dem größten Containerhafen Australiens eine pittoreske Innenstadt im Kolonialstil ihr eigen nennt. Zwar ist es „nur“ Donnerstagabend und damit – laut der Aussage der genervten Touri-Büro-Angestellten – nur halb so schön, da die Märkte nicht geöffnet haben. Uns reichen aber die nette Innenstadt und die leckeren Fish`n Chips (samt einem Glas Weißwein) im Sonnenuntergang am malerischen Hafen völlig zu unserem Glück.





Fazit des heutigen Tages: Go with the flow. Besonders ich muss das für diese Reise noch mehr lernen, habe ich doch bisher vor jedem Urlaub en detail recherchiert, die schönsten Unterkünfte, Cafés und Unternehmungen rausgesucht. Und, siehe oben, habe nicht gern das Gefühl, wegen mangelnder Vorbereitung etwas zu verpassen, was man so gerne gemacht hätte. Aber diese Reise IST eben kein Urlaub, wir können nicht alles vorausplanen (hier in Australien häufig auch wegen des miserablen Internets) und müssen uns damit abfinden, gegebenenfalls  mal was zu „verpassen“. Dafür gibt’s dann so wunderbare, spontane Begegnungen wie die mit Mike und Diane. UND am Ende ist eh immer alles gut.

Ein kurzer Exkurs zum Thema „alles gut“: Wir wurden darauf angesprochen, dass unsere Blogeinträge klängen, als sei „immer alles gut“ und dass das ja gar nicht sein könne. Aber warum denn nicht? Natürlich ist die Stimmung auch mal mies, sind wir genervt, läuft etwas schief (s.o.) – aber alles drumherum ist so fantastisch, dass das schnell wieder verflogen ist. Wir haben so ein Glück, diese Reise machen zu können. Wieso sollten wir uns mit dummem Kleinkram aufhalten, der nervt? Deshalb: Ja, es ist alles gut. Und ja, eigentlich immer. Ich drücke fest die Daumen, dass keine von uns ernsthaft krank wird, oder sonst was Schlimmes passiert. Abgesehen davon freue mich einfach über das Privileg, dies alles erleben zu dürfen.

Doch zurück zu unserem dritten und letzten Tag, der sich auf Rottnest Island abspielt. Und ich sage nur eins: QUOKKA! Ihren Namen bekam die Insel nämlich von einem niederländischen Entdecker, der sie „Rattennest“ nannte. Und das wegen der vielen pelzigen Gesellen, die hier leben. Wie man diese als Ratten missdeuten kann, ist mir allerdings schleierhaft. In einer Broschüre werden sie als „pint-sized kangaroo“ bezeichnet und das trifft es ziemlich genau. Bis zu diesem Tag war uns nicht bekannt, dass diese unglaublich niedlichen Tierchen überhaupt existieren. Ich hatte schon Quokka-Selfies im Internet gesehen, aber immer angenommen, sie seinen per Photoshop manipuliert. So süß und zutraulich kann doch kein echtes Tier sein?! Es kann und es ist.
Aber von Anfang an: Wir werden zu nachtschlafender Zeit, also gegen 8.30Uhr, mit dem Bus in der Innenstadt abgeholt und zum Fähranleger gebracht. Nach einer sehr schönen Flussfahrt, den Swan River entlang, wo wir u.a. darüber aufgeklärt werden, dass in Perth 90% der Bevölkerung von Western Australia und die meisten self-made Millionäre Australiens wohnen, und deren Villen samt Yachtparkplätzen (vom Flussufer aus) gezeigt bekommen, überqueren wir den Indischen Ozean. Naja, also bis Rottnest Island eben. Dort angekommen, stärken wir uns zunächst mit einer Pizza im Restaurant direkt am Hafen. Danach hat sich die Ladung Touristen komplett verteilt und wir haben den ganzen Tag das Gefühl, fast allein auf dieser schnuckeligen Insel zu sein. Nur wir und die QUOKKAS! Schon nach kurzem Spaziergang treffen wir den ersten, der sich noch etwas schüchtern gebärdet. 





Nicht in Selfie-Stimmung? Egal, ein paar Meter weiter warten mehrere seiner Kollegen. Und die haben deutlich mehr Lust. Eventuell tragen auch die von uns dargereichten Snacks in Form von frischen Blättern zur besseren Foto-Bereitschaft bei. 


Jedenfalls knipsen wir gefühlt 1000 Bilder und ich möchte danach am liebsten einen von der Insel schmuggeln.
Überhaupt ist diese Insel wunderschön, mit strahlend weißem Sand und klarem, türkisblauen Wasser. 








Man würde nie vermuten, dass Rottnest lange als Gefängnisinsel für Hunderte Aborigines benutzt wurde, die meist nicht mal wussten, was ihre Vergehen eigentlich waren. Viele starben auf der Insel. Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Aborigines-Gemeinde will nun den alten Friedhof wieder herstellen, um so den Prozess der Aufarbeitung in Gang zu bringen.

Bevor unser Boot um 16 Uhr schon wieder ablegt, sehen wir noch die ersten Pelikane unseres Lebens und halten respektvoll Abstand, als sie angewatschelt kommen, um dem Mann, der sie mit Fischen füttert, näher auf die Pelle zu rücken.





Auf dem Rückweg lassen wir uns in Freemantle absetzen, denn es ist ja Freitag und damit Markttag! Tatsächlich sind die Märkte sehr hübsch und wir schlendern gemütlich durch, kaufen uns ein leckeres Gözleme und verzehren es im Sonnenuntergang.
Daheim wird gepackt, denn am nächsten Tag startet unser Roadtrip für die kommenden zwei Wochen.


Perth, du abgelegenste Stadt der Welt, du hast uns gut gefallen. Cheers and see ya, mate!



Alles Liebe,
Iris



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