Mittwoch, 14. September 2016

Wir beide zusammen, der Himmel so weit*

Nähert euch dem Tier immer von links und frontal. Lasst euch nicht von Ästen aus dem Sattel wischen. Lasst euch nicht beißen. Lasst euch nicht treten. Überholt nicht unverhofft. Und was auch passiert: Fallt nicht runter.

((Wessen Idee war das hier nochmal?))

Wir lernen reiten. Nicht in der Halle, nicht im Kreis laufend, nicht an der langen Führleine, die ein aufmerksamer Reitlehrer in der Hand hält. Nicht in halbstündigen Einzelunterrichtsintervallen zweimal die Woche. Mein Helm ist eine graue Wollmütze mit pinkfarbenem Rand.
In der rechten Hand die Zügel, in der linken den Führstrick, inmitten eines Pulks von Pferden, die den Großteil des Jahres in der Wildnis leben, durchqueren wir die mongolische Steppe. Wir überwinden Bergpässe und Flussläufe. Wir traben über Wiesen voller Wildblumen. Wir lassen Sümpfe und Sanddünen hinter uns und wenn wir durch Wald reiten, versuchen wir die Pferde so zu lenken, dass sie unsere Kniescheiben nicht am nächsten Baumstamm zertrümmern. 






Lange vor dem Beginn unserer Reise haben wir diesen Pferdetrek durchs Hinterland im Nordwesten der Mongolei gebucht - als Herausforderung, als Abenteuer, als Verwirklichung eines Kleinmädchentraums, den keine von uns je hatte. 
Nach all den Autos, die uns dieses Jahr befördert haben, habe ich nun nur eine Pferdestärke unterm Hintern und ein bisschen Angst, das Gas- mit dem Bremspedal zu verwechseln.
Ein einziges Mal habe ich bisher auf einem Pferd gesessen, eine Stunde lang. Jetzt versuche ich mich an all das zu erinnern, was mir meine wunderbare Reitlehrerin damals sagte. 




Wenige Tage zuvor sind wir zum Abendessen zusammen gekommen, in Ulaanbaatar. Eine hoffnungsfrohe, stille Truppe saß in einem chinesischen Lokal bei gedämpften Gurken, knusprig gebratener Aubergine, Pfannenreis, Hühnchen und Tofu. Das gesamte Spektrum von Reiterfahrung, wenn man professionelles Springreiten ausklammert. Da sind Rachael und Mirja, die seit ihrer Kindheit reiten und am liebsten vornweg galoppieren. Peter, Kylie und Monica, die als Erwachsene Reitstunden genommen haben und den Galopp als Fortbewegungsform unterschiedlich enthusiastisch bewerten. Emily und ich warten mit je etwa einer Stunde Pferdeexpertise auf. Pat und Larry, mit über sechzig die ältesten Reiter der Gruppe, hatten gleich zwei Treks in Folge gebucht, "wenn man schonmal da ist". Larry war beim ersten unglücklich vom Pferd gefallen, hatte neun Stunden im Koma gelegen und darf nun nur im Versorgungsjeep mitfahren, obwohl er viel lieber geritten wäre. Seine Frau Pat sitzt dafür jeden Tag auf dem Pferd. Und dann ist da noch Iris, die das Yak im Sack gekauft und sich angemeldet hat, ohne jemals zuvor ihre Sitzhöcker in einen Sattel gepresst zu haben. Jen wäre unsere Reiseleiterin, wenn dieses Wort in ihrer Gegenwart nicht wie filzende Wollmäuse in meinem Mund haften bleiben würde. Die Amerikanerin hat in Russland studiert, spricht Mongolisch, hat allein im Segelboot den Atlantik und die Karibik durchquert, reitet von Kind an. Haldrasch ist unser erster Dolmetscher. Er ist Kasache, spricht vier Sprachen, hackt Holz, spielt Karten, lächelt über unsere Gemüsecurries, reitet das Pferd, das nur "The Beast" genannt wird, und sagt, wo es langgeht. Seine Aura ist stolz und überzeugt. Er findet immer ein freundliches Wort. Unser zweiter Übersetzer heißt Saruul. 29 Jahre ist er alt, sanft und zu still für einen Dolmetscher. Mit dem Zauberwürfel ist er ein As und beim Schach fragt er: "Are you sure?", um mich darauf hinzuweisen, dass ich meine Figuren gerade stetig dem Abgrund entgegen schiebe. Er hat als Jugendlicher reiten gelernt, sehr spät, in einem Land, wo man mit vier oder fünf Jahren anfängt und das Reitturnier beim Nationalfest Naadam aus 30 Kilometern Galopp besteht. Als sein Pferd am ersten Tag nur wenige Kilometer vom Camp entfernt scheut und ihn abwirft, bekommt meine vorsichtige Zuversicht erste Schrammen.




Was die Logistik jenseits des Pferderückens angeht, haben wir ein Paket der Sorglosigkeit erworben. Bei aller Einfachheit bietet es uns doch größten Luxus. Alte, robuste Sowjetjeeps transportieren unser Gepäck, unsere Zelte, Lebensmittel und manchmal auch uns - zunächst eineinhalb Tage aus Ulaanbaatar hinaus, durch zwei Provinzen, anfangs auf Asphalt, später auf ausgewaschenen Feldwegpisten, vorbei an Schafherden, Kuhformationen und Yaktruppen, und irgendwann nur noch querfeldein. Danach weiß ich, weshalb hier dazu geraten wird, ein Auto stets mit Fahrer zu mieten. Schilder gibt es an der Straße, aber nicht in der Steppe. Woran unsere Fahrer sich orientieren, wenn wir unbekannte Strecken fahren, weiß ich nicht. Doch nie verirren wir uns hoffnungslos. Nach ein paar Kilometern taucht immer jemand auf, der uns weiterhilft. 



Vor dem Pferd kommt das Kamel. Nicht Gobi, sondern irgendwo hinter Ulaanbaatar.





Zwischendurch machen wir irgendwo im Nirgendwo ein Picknick mit Brot, Yakkäse, Sardinen in Tomatensauce, Wurst, eingelegten Gurken, Äpfeln, Apfelsinen, Keksen, Nüssen, Trockenobst und Schokocreme. Dieses Aufgebot wird uns etwa zweieinhalb Wochen lang in den meisten Mittagsstunden begleiten. Wie Heuschrecken werden wir darüber herfallen, nachdem wir abgestiegen sind, die schmerzenden Beine gestreckt und die Arme gedehnt haben. 





Vorab habe ich viele Tipps bekommen: Keine Nähte an den Innenseiten der Schenkel, bequeme Hosen, den Hintern immer schön geschmiert halten, um Druckstellen und Hautabrieb zu vermeiden. Überhaupt fragen immer alle nach meinem Hintern. Doch der stört sich nur in den ersten zwei Tagen an der ungewohnten Konstruktion meines Sattels. Als ich den Sattel wechsele, heilen die wunden Stellen innerhalb weniger Tage. 






Meine Satteltasche.



Nichts schlimmer als Lady Monkey Butt. Ich sorge vor.

Was mir jedoch niemand gesagt hat: Wie sehr meine Knie schmerzen würden. Noch nie in meinem Leben haben sie mir den Dienst versagt. Jetzt verlangt es mich beim Absteigen nach einem entlastenden Aufschrei oder einer Streichelmassage mit ätherischen Ölen. Eine Spielart dieser Vision ereilt mich in Form der Schraubzwingenhände unseres Wranglers Dondov. Das Wort "Ohrfeige" fegt durch meinen Kopf. Doch meine zu Hölzern versteiften Gelenke entspannen sich. 








Handyempfang.

Es tut gut, im Kreise unserer mongolischen Crew zu sein. Sie bringen Wissen und Erfahrungen mit, die kein Hörsaal dieser Welt bieten kann, machen darum aber kein Aufhebens. Abgesehen davon können sie des Reiters Ego fabelhaft wieder im Boden der Tatsachen verankern. Die meisten von uns brauchen Hilfe beim Auf- und Absteigen, welche wir zuverlässig bekommen - immer zusammen mit einem ruckartigen Ächzen oder "Ho-oop!", manchmal gefolgt von einem Lachen. Dies ist nicht zuträglich für das Selbstbild vom Und-morgen-dann-Naadam-Reitprofi, doch sobald ich im Sattel sitze, kehrt so etwas wie Selbstbewusstsein zurück. Solange, bis mein Pferd seinen länglichen Schädel mit der Bürstenmähne durchsetzen will und der oberste Grundsatz dieser Tour grellrot vor meinem inneren Auge aufleuchtet. Am Ende einigen wir uns meist gütlich: Ich signalisiere dem Pferd, was ich möchte, es tut dann, was es möchte, und ich entscheide, dass das durchaus auch geht. In der Folge traben und galoppieren wir zu Anfang häufiger als beabsichtigt. 


Haldi and the Beast.

Mein Pferd, das sind eigentlich drei. Und die teilen wir uns zu zweit. Da ist Twitter. Ich habe ihn so getauft, weil er am liebsten anderen folgt - am allerliebsten den Schnellsten. Beim Testreiten stufen sie ihn als ruhig und ideal für mich als Anfängerin ein. Zwar sind seine langen Schritte elegant und sicher und er ist klug genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, doch schielt er immer wieder begehrlich nach der Spitze des Trosses und tut alles dafür, dort auch zu sein. Das artet für mich nach ein paar Tagen in krampfhaft nach hinten gezogene Zügel aus, weil ich dieses Pferd mit meinen stechenden Knien einfach nicht unter Kontrolle halten, geschweige denn mit halbwegs innerem Frieden reiten kann. 






Die Entschleunigungskur heißt Honeybun und hat bisher Iris - nennen wir es gemächlichen Schrittes - durch die Weiten der Mongolei getragen. Nachdem Iris der stete Blick auf alle anderen unablässig furzenden Pferdeärsche nach ein paar Tagen zu dröge wird, tauschen wir Twitter gegen Honeybun, kompakten Stoff- gegen geschmeidigen Ledersattel und lösen damit alle Probleme, die wir augenblicklich haben. Honeybun, der im Mongolischen eigentlich "Schweinchen" genannt wird, weil er etwas mehr Antriebsarbeit benötigt als die übrige Meute, watschelt nun also wie eine schwangere Matrone unter mir her, und ich kann meinen Blick dem Himmel, den massig sprießenden Edelweiß, nach Salbei duftenden Wiesen und sanft geschwungenen Bergkuppen zuwenden. 





"Shu!", rufe ich und versuche ihm mit euphorischem Beckenschwung Ansporn zu sein. Iris strahlt. Das nehme ich zumindest an, denn den Rest des Tages ist sie ganz vorn und nun ist es an mir, die Pferdeärsche zu betrachten. 
Leider ist unser gutmütiges Schlusslicht für lange Strecken nur begrenzt zu gebrauchen, und so bekomme ich schon nach dem nächsten, mit klammen Fingern gelöffelten, morgendlichen Haferbrei ein neues Pferd: Steve McQueen. 




Zusammen erobern wir beide in der zweiten Woche die mittelschnelle Liga, und wenn er nicht gerade versucht, mich beim Bergabstieg zu einer schnelleren Gangart zu überreden, um dann zu stolpern und mich fast aus dem Sattel zu werfen, dann sind wir wie zwei Strickmaschen. 
Währenddessen lernt Iris Twitters eilige Seite kennen - nicht lieben. Da außerdem ihr Knöchel durch die ungewohnte Beinstellung mittlerweile bedenklich angeschwollen ist, setzt sie aus und vorerst die Reise im Jeep fort. Nachmittags,während wir uns in unseren blauen Zeltmuscheln einrichten, die sie gemeinsam mit Larry schon für uns aufgebaut hat, erzählt sie mit leuchtenden Augen von den löchrigen Buckelpisten, die die Fahrer in Gemütsruhe bewältigen. Geläutert kehrt sie letztlich ein paar Tage später zu Honeybun zurück, der sein breites Hinterteil wieder für sie in Bewegung setzt.







Twitter war der Sprung ins kalte Wasser, Honeybun die Oase für Nerven und Po. Steve McQueen hat mir gezeigt, dass Mut, der vielleicht auch nur die Überwindung der eigenen Krankenhausfantasien ist, und dazu Empathie und Loslassen Freiheit bedeuten. Manchmal setzen wir uns ein wenig vom Rest der Herde ab und traben im Gleichklang dem Horizont entgegen, und ich bin mir sicher, dass sein Lächeln in diesen Augenblicken fast mindestens genauso breit ist wie meines. 





Auf dem Ritt durch das, was Stadtmenschen wohl als Einöde bezeichnen würden, begegnen uns nun endlich die allein oder in Zweierformation stehenden Jurten, die uns Ulaanbaatar bisher verwehrt hat. Und damit auch die Familien, die in den Weiten der Steppe ihr Sommerlager aufgeschlagen haben, ihr Vieh hüten, ihre Kinder großziehen, ihre Pferde antreiben oder ihr Motorrad ausfahren. Und so sitze ich neben einer Urgroßmutter mit ernsten Augen. Vor uns zwei kleine Mädchen, einen Fuß auf dem Teppich, einen auf dem Steppenboden. Ihre Neugier, ebenso wie meine, ist zu groß, als dass sie lange schüchtern wegschauen könnten. Vor ein paar Tagen waren wir bei einer Familie, deren siebenjähriger Sohn schon drei Pferde verschlissen hat, weil er am liebsten Galopp reitet. Und ganz am Ende unseres Treks sind wir das Unterhaltungsprogramm für eine ganze Familie, als wir uns im Yakmelken versuchen. 
Auch jenseits der Dorfverbände oder Kleinstädte, die viele Kilometer weit entfernt liegen, sind die Menschen nicht einsam. Denn auf dem Land leben heißt unterwegs sein, Besuche abstatten und empfangen. Wann immer man an die Tür einer Jurte klopft, als einzelner Hirte oder zwölfköpfige Reisegruppe, ist man willkommen. Es gibt zu trinken und zu essen. Gesalzenen Milchtee, manchmal Milchwodka, Gebäck, einen Mehl-Butter-Stampf oder getrockneten Quark - oder einfach alles gleichzeitig. 







Danach wiegt der Magen schwer, und ich möchte mich auf einem der Familienbetten zusammenrollen und ein Nickerchen machen. Die unbedingte und bedingungslose Gastfreundschaft der Mongolen hallt in meinem Kopf nach. Wenn man bei uns unangekündigt an einem fremden Reihenhaus klopfen, das müde Haupt fraglos aufs Wildledersofa betten kann und am Ende des Tages vielleicht sogar noch eine spontane Kartenspielsause bei Wodka und importiertem "Weingetränk" möglich ist, dann habe ich Hoffnung für unsere Individualgesellschaft. 




Selbstverständlich romantisiere ich. Schon in Ulaanbaatar ticken die Uhren ganz anders als in der Steppe. Aber der Milchwodka möchte gerade nicht, dass ich meinen Blick auf das große  Ganze richte, auf das "Aber", er wünscht, dass wir, verdammmichnocheins, ein bisschen was lernen von den Nomaden.


Den Umgang mit Müll sollten wir uns besser nicht abschauen.


Der Hipster unter den Rindern: Yak.



Auch unser Camp zieht Besucher an. Einmal empfangen wir im Laufe eines Abends etwa acht Männer, die im angrenzenden Tal ihre Herden hüten. Ihr Interesse gilt meistens unseren mongolischen Herren, doch einer kann die Augen nicht von meiner Tätowierung lassen und sucht immer wieder den Kontakt. Er möchte gern, dass ich ihn ebenfalls verziere, zum Beispiel mit einem Pferd auf dem Unterarm. Entsetzt schüttele ich den Kopf. Wir lachen. 


Die andere Sorte Mustang.

Nach dem schweißtreibenden Ritt über sandige Steppe, dem Kampf gegen Flussströmungen, dem Durchwaten sumpfiger Wiesen wartet das Zeltcamp auf uns, das wir nahezu täglich gegen acht Uhr ab- und zwischen ein und drei Uhr woanders wieder aufbauen. Die Geländewagen fahren vor und suchen einen geeigneten Platz an einem Fluss, an dem wir das Lagerfeuer anfachen, den Ritt Revue passieren lassen, Gitarre oder Mongolisch üben und endlos spazieren können. Und so entwickeln sich rasch Routinen: Ankommen, im Fluss baden, Pferdebremsenstiche vergleichen, Unterwäsche waschen, vielleicht ein T-Shirt. Essen, und zwar gänzlich unmongolisch (Achtung, Sorglosigkeit - wir haben sogar eine Köchin!) und die gerade zum Trocknen auf dem Zelt verteilte Wäsche vor dem Regenschauer retten, von dem man wusste, dass er kommen würde, weil es gegen drei Uhr einfach immer regnet. Aber man wäscht trotzdem, nur für den Fall, dass heute doch alles anders kommt. Wir lesen und schlafen, hängen unseren Gedanken nach. Schafherden schieben sich vorüber, die Wrangler satteln die Pferde ab und führen sie zum Fluss, wir hören sie wiehern, wir schreiben oder reden, fotografieren und rufen "Pick up, pick up, pick up!" beim Kartenspiel 'Mass', dessen Regeln uns willkürlich erscheinen. Oder sinnen darüber nach, welche Fähigkeit wir bei einer Marsbesiedelung beisteuern könnten. 



Are you sure?

Von Irkhii Mergen und anderen Helden.

Im Waschzuber.


Ist noch Joghurt im Kühlschrank?



Die Fahrer, Wrangler und Dolmetscher sitzen nachmittags bei ihrer "man-time" um den eigens gebauten, zusammenklappbaren Ofen, klatschen und tratschen und rauchen. Wer behauptet, Männer hätten nur eine bestimmte Anzahl sprachlicher Zeichen, die sie pro Tag artikulieren können, war noch nie in der Mongolei.


Ofen mit Kochgeschirr.



Währenddessen warten sie darauf, dass ihr Essen gar wird. Denn keiner von ihnen würde anrühren, was wir essen, vor allem, wenn es vegetarisch ist. Da könnte man ja gleich mit den Pferden grasen. In einem Jurtencamp, in das wir zu Anfang der Tour einkehren, wird Abendessen serviert. Unser Fahrer Hlavga bekommt ein Hühnerschnitzel vorgesetzt und fragt irritiert, was das sein solle. Der Kellner erklärt, Hlavga sagt: "Das ist doch kein Fleisch, was soll ich denn damit?!" 
Essen ist gleich Fleisch ist gleich Schaf. Zumindest meistens und in verschiedenen Variationen. Gewürzt höchstens mit Salz und Pfeffer, jedoch nicht eintönig, wie die Fleischesser versichern. Jeden Tag kochen die Männer einen Eintopf mit Nudeln, Reis oder Kartoffeln, darin Zwiebeln, Knoblauch, Möhren und Schaffleisch. An den Schlachttagen - unterwegs werden zwei Schafe gekauft und sorgfältig zerlegt - gibt es größere Fleischstücke und Innereien, andere Teile werden geräuchert, der Kopf des Tieres wird mit dem Flammenwerfer abgekokelt und am nächsten Tag gegart. Als ich unseren Dolmetschern beim Uno-Spielen von der deutschen Fleischindustrie erzähle, schauen sie mich verständnislos an. Der Umgang mit Tieren ist hier ein andererer. Pragmatisch, ganz sicher, nie respektlos, nie verschwenderisch. Gerade auf dem Land könnte man sich dies überhaupt nicht leisten. Schlachten ist ein besonnener und stiller Prozess, bei dem es weder spritzendes Blut noch Tiergeschrei gibt. Wieder einmal frage ich mich, was wir uns ein paar tausend Kilometer westwärts anmaßen, abgeklärt und überlegenheitsgetrieben. 


Gewinnt in der Vielseitigkeit: Jeep mit Räucherecke.

Wie ein schwedischer Krimi: Das Fleisch hängt am Wagen.

Ähnlich wie die Wahrnehmung der Offenheit gegenüber Fremden wandelt sich auch die Wichtigkeit körperlicher Makellosigkeit. Draußensein ermöglicht bedenkenloses Schwitzen. Das tägliche Bad im Fluss hat eher belebende und willensstärkende als reinigende Wirkung. Die Strömung wird auch meine schweißfleckigen T-Shirts geduldig benetzen, und bei der Vorstellung von Waschperlen, Weichspüler und 60 Grad entdecke ich ihr eiskaltes Lächeln in der Uferböschung. Gleich neben den Zwei-Liter-Bierflaschen, die hier zur Kühlung lagern. 
Lagerfeuerrauch ist das Parfum, in das wir uns großzügig hüllen, und Mütze, Hut und Helm sind zarte Barrikaden zwischen uns und dem Konzept Frisur, erdacht von einer entfernten Zivilisation. 




Die Toilette ist ein täglich frisch gegrabenes Erdloch, umzäunt von einer breit gestreiften Plastikplane. Für Körper, Nase und den Weltfrischwasserbestand ist dies das Sinnvollste, was wir auf dieser Reise bisher erlebt haben. Ich habe nichts auszusetzen. 
Vor allem, wenn hinter dem Klohäuschen gleich die Steppe beginnt. Das heißt, eigentlich beginnt sie nicht, denn sie hat nie aufgehört. In ihrer pistendurchfurchten Endlosigkeit verschafft sie sich Respekt und lädt doch ein, sie zu durchstreifen, barfuß ihre Anhöhen zu erklimmen, ihren ruhigen Atem im Gesicht zu spüren, den Fluss, das Camp und das eigene Leben, ein Tal entfernt in Fliegengröße zu betrachten. Wieder füllt die Freiheit meinen Brustkorb und in der nächsten Sekunde schiebt sich die Vergänglichkeit achtsam dazu. Ich schaue ihm nach, dem Augenblick des unbändigen Glücks, den zu jagen, zu Fuß wie zu Pferd, sinnlos ist, und wandere zum Lagerfeuer zurück.

Eure Anja





* Wegen des bei Kosmos erschienenen gleichnamigen Jugendbuches musste dieser Blogpost einfach so heißen. Es geht darin um ein Mädchen, ein Pferd und die Mongolei. Wir waren also mit unserer Konstellation, zwei Mädchen, drei Pferde und die Mongolei, ziemlich nah dran.   

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